Mitte Juni 2017
Nach den schönen Paddeltouren auf Moldau, Berounka und Luznice wollten wir in diesem Sommerurlaub auch die Sazava erkunden. Die Sazava ist ein rechter Nebenfluss der Moldau. Sie entspringt in den Saarer Bergen, fließt von Osten in Richtung Moldau und mündet in den Vranska-Stausee, ein Teil der Moldau-Kaskade südlich von Prag.
Bei gutem Wasserstand kann man auf der Sazava ab Zdar nad Sazavou paddeln. Zwischen Svetla nad Sazavou und Ledec fließt die Sazava durch ein eingeschnittenes Tal mit leichtem Wildwasser. Häufig gibt es im Sommer nicht genügend Wasser, um schon dort zu paddeln und so starteten wir erst in Ledec.
Der Fluss wird wegen seiner Nähe zu Prag und der guten Erreichbarkeit per Zug sehr gern befahren und ist im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel für die Prager Paddler. Als wir die Tour begannen, waren wir aber noch ganz allein unterwegs. Im Tal der Sazava gibt es keine größeren Straßen, manchmal passt sogar nur ein kleiner Wanderweg neben den Fluss in das enge Tal, aber auf der gesamten Strecke verläuft eine Eisenbahnlinie, auf der im Stundentakt ein kleiner Personenzug verkehrt. Damit wird die Tourlogistik beim Paddeln sehr einfach, der Zug wird aber auch gern von Wanderern benutzt.
Unser Zielort für die erste Etappe sollte der Campingplatz Horka nad Sazavou kurz vor dem gleichnamigen Wehr sein. Mitte Juni ist in Tschechien Vorsaison; als wir an einem Donnerstag dort ankamen, war der kleine Naturcampingplatz fast leer und wir fanden ein schönes Plätzchen direkt am Ufer der Sazava.
Am Freitagmorgen schnappten wir uns unser Boot und gingen zum nahen Bahnhof. Der befindet sich direkt oberhalb des Campingplatzes; es gibt einen kleinen Durchschlupf durch eine Hecke über die Gleise direkt zum Bahnsteig. Das kleine Züglein bestehend nur aus zwei Wagen kam pünktlich an und zuckelte gemütlich entlang der Sazava bis nach Ledec. In Ledec kann man direkt unterhalb vom Wehr linksufrig gut einsetzen. Wir ließen jedoch näher am Bahnhof neben einer kleinen Fußgängerbrücke unser Boot ins Wasser.
Der Fluss war durch eine Regenfront am Vortag erdbraun gefärbt, hatte aber trotzdem nur geringe Strömung. Bei strahlend blauem Himmel paddelten wir durch die sattgrüne Landschaft. Am Ufer gab es nur ganz wenig Besiedelung, ab und zu eine einzelne kleine Chata. Die ersten Wehre waren nicht ganz einfach zu umtragen, ganz sicher hätten wir dort nicht zu Ostern mit Gepäck unterwegs sein wollen. Unser Schlauchboot, das Gumotex Orinoco, ist ziemlich robust und damit kommt man auch mal über eine höhere Wehrkante, aber dafür läuft es nicht besonders schnell und so hatten wir besonders auf den längeren ruhigen Abschnitten vor den Wehren ordentlich zu paddeln.
Am späten Nachmittag trudelten wir wieder am Campingplatz Horka ein. Im Laufe des Abends füllte sich das Kemp mit Massen von Wochenendcampern. Viele Grills und Lagerfeuer wurden vorbereitet und Bier bereitgestellt und bald war das Kemp bis zum letzten Eckchen gefüllt. Alles ging aber sehr zivilisiert vonstatten. Unsere Nachbarn waren zwei Pärchen aus Prag mit Kindern. Wir waren die einzigen Ausländer auf dem Platz. Unsere Nachbarn konnten sehr gut Englisch, es entspann sich ein nettes Gespräch und wir wurden am Abend zu ihnen ans Lagerfeuer eingeladen. Sie freuten sich, dass wir die Gitarre dabei hatten. Abwechselnd spielten wir Gitarre und sangen und quatschten noch lange, nachdem die Kinder völlig ohne Murren im Bett verschwunden waren. Was für eine Harmonie!
Am nächsten Tag wollten unsere Nachbarn unsere Etappe vom Vortag paddeln und wir weiter flussab. Beim Abschied mussten wir ihnen versprechen, uns unbedingt zu melden, wenn wir nach Prag kommen, um sich dort wieder zu treffen. Das taten wir später auch. Wir ließen das Boot am Kemp liegen, fuhren das Auto nach Kacov und mit dem Zug zurück zum Boot. Beim Umsteigen in Zruc wurde uns noch eine kleine Show geboten: Die Lok unsere Zuges muss für Eisenbahnfreunde eine besondere Anziehungskraft haben, zwischen den Gleisen sammelten sich Männer mit dicken Objektiven. Bahnvorsteher und Lokführer belohnten ihr Interesse, indem sie die Lok wie zum Schaulaufen mehrfach auf dem Bahnhof hin- und herfahren ließen, während der Pulk der Fotografen verzückt zwischen den Gleisen hin- und hersprang. Was für lustige Gesellen! 🙂
In Kacov starteten schon viele Wochenendkapitäne zur Tagesetappe und auch zurück am Kemp in Horka waren alle Tschechen schon unterwegs und viele vermutlich schon auf dem Wasser. Das Paddelwochenende der Tschechen hatte echten Volksfestcharakter: Die meisten waren mit blau-weißen Ringelshirts bekleidet, viele hatten eine Bootsmann- oder Kapitänsmütze auf und der Gruß "Ahoj!" war überall zu hören. Die wenigsten hatten ein eigenes Boot, dafür waren Massen von Leihbooten unterwegs. Dass die Tschechen häufiger paddeln, sah man an der meist guten Bootsbeherrschung, problemlos wurden auch schwierigere Wehrstufen hinuntergerumpelt. Kam es doch mal zu einer Kenterung, dann war das kein Grund für schlechte Laune, sondern wurde eher vergnüglich in der Gruppe aufgenommen. Schwimmwesten, Helme oder andere Sicherheitsausrüstung sind unüblich. Was für ein entspanntes Völkchen!
Direkt bei den meisten Wehren gab es Eis, Imbiss, Bier- und Schnapsausschank, wovon reichlich und mit sichtlichem Vergnügen Gebrauch gemacht wurde. Dennoch sahen wir auf dem Fluss im Laufe des Tages keine stark alkoholisierten und lärmenden Paddler, wie sie im Sommer auf der Isar nicht selten anzutreffen sind.
Die Flusslandschaft ähnelte der vom Vortag: viel Grün, wenig Uferbebauung, kaum Verkehr, ab und zu ein paar Felspassagen, an denen auch geklettert wurde. Zwischendurch das Schloss Zruc. Das Wasser hatte mäßige Strömung und nur selten steinigere Abschnitte mit etwas flotterem Zug. Nach einem markanten Felsen mischte sich das glasklare Wasser der Zelivka mit dem immer noch trüben der Sazava. Die Wehre waren einfacher zu überwinden als am Vortag, meist gab es eine Bootsgasse. In Kacov angekommen packten wir unser Boot ans Ufer und schon ging's hinüber zum Gasthof der Brauerei (Pivovar) Hubertus. Wir fanden gerade noch ein freies Plätzchen und wurden bestens versorgt. Mit an unserem Tisch saß ein Vater mit zwei Kindern, der uns erzählte, dass wir ihm als einzige Ausländer schon am Morgen am Campingplatz aufgefallen waren. Auch die Kinder lernten schon in der Schule Englisch, sie freuten sich sichtlich und stolz, das endlich mal in der Praxis anwenden zu können. Abends schrieben wir schnell noch den Text für die Luznice-Tour, um mit den Erlebnissen nicht völlig durcheinander zu kommen.
Am Sonntagmorgen stellten wir das Auto nach Rataje. Dort muss man drauf achten, den richtigen Haltepunkt zu finden, denn die Bahnstrecke verzweigt sich dort. Auf dem Fluss dann wieder das gleiche Bild: Viele blau-weiß-geringelte Tschechen paddeln in fröhlichen Gruppen den Fluss hinab. Zwar hatten die Verleiher an der Sazava noch erhebliche Reserven an Booten am Ufer liegen, dennoch herrscht auf der Sazava auch in den Sommerferien nicht so ein extremer Trubel wie auf der Moldau - haben wir uns sagen lassen. Am Nachmittag wurde es wieder deutlich ruhiger, die meisten Tschechen paddelten nur bis Sternberk. Danach waren wir dann wieder ganz allein auf dem Fluss. In Sternberk muss man ein hohes Wehr umtragen und kann danach über eine steile Betontreppe wieder einsetzen. Die Bootsgasse ist schon länger gesperrt.
Dicht beim Haltepunkt Rataje kurz hinter der Eisenbahnbrücke befindet sich auf dem rechten Ufer ein Campingplatz. Dieser ist allerdings - wie wir bei der Ankunft erfuhren - außerhalb der Sommerferien nur am Wochenende in Betrieb und ansonsten verschlossen. Weiterpaddeln war für uns nach der doch schon recht langen Etappe keine Option, denn in der Flussschlinge, die sich um Rataje schmiegt, folgen noch drei Wehre und erst in Sazava hätten wir die nächste Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Kurzerhand das Boot aufs Dach und weiter mit dem Auto zum Taboriste u Hrocha (beim Flusspferd) bei Sazava. Als wir dort ankamen, fing es schon an zu dämmern und wir waren auf dem ganzen Platz die einzigen Übernachtungsgäste. Am Imbiss tranken "Die-die-immer-da-sitzen" noch bis in den späten Abend ihr Sonntagsbierchen. Auf dem Naturgelände gab es mehrere Feuerstellen mit ausreichend Lagerfeuerholz und so saßen wir noch lange im Mondschein am Feuer und lauschten auf das Plätschern des Flusses und in die Stille nach dem Trubel des Wochenendes. Was für eine Idylle!
Damit es für uns und Euch nicht zu eintönig wird, gab es am nächsten Tag einen Paddel-Ruhetag. Das getrocknete Boot kam ins Auto und als "ganz normale Touristen" machten wir einen Ausflug zum UNESCO-Weltkulturerbe, der sehr gepflegten und sehenswerten Altstadt von Kutna Hora. Leckeres Essen natürlich inklusive. Abends dann gleich weiter zu unserem nächsten Etappenziel nach Cesko Zlenice. Beim Hotel "Kormoran" gibt es eine Campingwiese. Das Gasthaus liegt am Rand des verschlafenen Örtchens und auch der Gasthof machte einen verwunschenen Eindruck und erinnerte uns ein bisschen an das abgelegene Berghotel in "Shining", nur eben im Frühsommer. Der junge Wirt war aber schon in der Welt herumgekommen, konnte sehr gut Englisch und da er nur sehr wenige Gäste hatte, nahm er sich Zeit für einen längeren Plausch.
Auch auf der Zeltwiese direkt am Ufer waren wir wieder ganz allein. Die Sazava plätschert dort über eine kleine Naturstufe mit Bootsgasse und oberhalb wird ab und zu ein Boot als Personenfähre für Wanderer über den Fluss gerudert. Der "Fährmann" war ein herrischer alter Mann, der regelmäßig einen kleinen Jungen mit traurigen Augen grundlos anschnauzte und sich von ihm Bier und Schnaps bringen ließ. Mit Tschechischkenntnissen hätte man sich vielleicht eingemischt. Der Wirt erklärte uns, der Junge sei der Stiefenkel und der Großvater wäre eben so. Da könne man nichts machen. Später gesellte sich noch ein holländisches Pärchen zu uns, die davon schwärmten, welche tollen Mineralien man in Tschechien noch finden könne, denn sie leben vom Mineralienhandel und in anderen Ländern wären die Gesetze ja viel schärfer. Merkwürdiger Abend.
Nach einem gemütlichen Frühstück mit Blick auf den Fluss banden wir das verpackte Boot wieder auf den Bootswagen, wanderten zum Haltepunkt der Bahn und fuhren zurück nach Sazava. Die Flussschlinge mit den drei Wehren sahen wir nur vom Ufer aus. Dort haben wir nicht viel verpasst. Der Ort Sazava selbst hat nur wenig Charme. Vom Bahnhof liefen wir durch eine Plattenbausiedlung und durch ein Industrie-/Gewerbegebiet. Erst an unserer Einsatzstelle unterhalb des Klosters Sazava wurde es wieder schön.
Wir paddelten am Kemp mit dem Flusspferd vorbei und es gab ein paar wenige Schwallstrecken. Später wurde der Fluss deutlich breiter, die Ufer waren besiedelter, irgendwann kam die große Autobahnbrücke der stark befahrenden E50 in Sicht- und Hörweite. Das haben sich die Leute bestimmt nicht gewünscht, als sie ihre Chatas dort gebaut haben. Danach wurde das Flusstal wieder natürlicher und ruhiger. Am späten Nachmittag saßen wir dann schon wieder auf der Terrasse beim Hotel Kormoran und über die Wiese wuselte irgendein Sportwettbewerb. Die Teilnehmer hatten Startnummern, kamen an einem Flussufer angelaufen, mussten über den Fluss paddeln und auf dem anderen Ufer ging's irgendwie weiter. Leider war der junge Wirt nicht da, den wir hätten fragen können. Nach einiger Zeit war der Spuk vorbei und am Abend waren wir wieder ganz allein auf dem großen Platz. Auf der Terrasse gab es WLAN, denn wie die Slowakei im Vorjahr erlebten wir auch Tschechien nicht als ein solches Internet-Entwicklungsland wie unser eigenes.
Am nächsten Tag wechselten sich sehr ruhige Naturabschnitte mit besiedelten Ufern ab. Die Landschaft wurde offener und ein bisschen flacher. Bis auf ein Wehr, das man wegen einer Wehrbaustelle weiträumig umtragen musste, kamen wir an allen Hindernissen sehr einfach durch. Das letzte Wehr kurz vor Tynec war ganz anders als alle anderen vorher. Sonst gab es häufig eine wasserdurchströmte Bootsgasse, hier hatte man sich eine schlaue Wassersparlösung einfallen lassen: Die Bootsrutsche mit glattem Belag und Algenbewuchs wird von oben durch eine Kunststoffplatte verschlossen. Diese Platte drückt man mit der Bootsspitze beim Dagegenfahren herunter und mit dem plötzlichen Wasserschwall rutscht man mit Schwung ins Unterwasser. Das ganze Konstrukt lässt sich von der Wehrkrone aus gut besichtigen und bei Niedrigwasser kann man über die Bootsrutsche auch einfach treideln.
Ein paar hundert Meter weiter empfiehlt sich eine gute Sonnenbrille, denn am linken Ufer kommt ein riesiges Gebäude in knalligem Signalrot in Sicht. Erst beim Vorbeifahren erkannten wir das rote Jawa-Logo auf dem Dach; es ist die Fabrik, die schon zu Ostzeiten durch ihre legendären Motorräder bekannt war. Aber soo grell war das Jawa-Rot damals noch nicht. 🙂 In Tynec gibt es direkt an der Flussbiegung ein großes Kemp. Dort suchten wir uns ein schattiges Plätzchen für diesen Abend. Nach fünf Tagen auf der Sazava war irgendwie ein bisschen die Luft raus. Gerade die letzte Etappe war nicht mehr so spannend wie die ersten. So überlegten wir schon, ob wir die Befahrung in Tynec einfach beenden sollten. Zum Glück trafen wir noch einen tschechischen Paddler, der gerade aus dem Wildwasserbereich hinter dem Wehr am Kemp kam. Er erklärte uns, dass der schönste Teil der Sazava überhaupt noch vor uns läge und wenn wir den nicht paddeln würden, dann hätten wir die Sazava gar nicht kennen gelernt.
Nach dem Wehr Tynec folgt ein Abschnitt, der bei Niedrigwasser, was wir inzwischen hatten, nur schlecht befahrbar ist. Deshalb deponierten wir das Boot am nächsten Morgen in Krhanice und stellten das Auto nach Petrov u Prahy. Zurück ging's wie gehabt mit der kleinen Bimmelbahn, die dort sogar schon zum S-Bahn-Netz von Prag gehört. Auch bei Krhanice hatten wir gerade so viel Wasser, dass wir überhaupt paddeln konnten. Der Fluss ist mit vielen großen Steinblöcken durchsetzt, fließt aber ziemlich zügig. Die Steine sind nicht besonders scharfkantig, so war auch eine gelegentliche Grundberührung mit unserem Boot kein Problem. Allerdings muss man permanent konzentriert paddeln und sich seinen Weg durch das Steinlabyrinth suchen. Nach kurzer Strecke fließt die Sazava durch ein tief eingeschnittenes Tal. An den steilen Hängen klebt ab und an eine Chata und selbst für den Zug war kein Platz mehr in der Talsohle - er fährt weit oben am Hang und ein paar Mal über ein hohes Viadukt.
Kurz wird die Sazava zu einem langgestreckten Stausee aufgestaut, danach wieder ein Wehr mit Bootsrutsche. Die war allerdings trocken gefallen, aber man konnte das Boot einfach überheben. Danach ging's weiter auf leichtem Wildwasser im Steine-Slalom. Erst kurz vor Petrov wurde die Sazava wieder ganz ruhig. Hier macht sich schon der Rückstau der Moldau-Kaskade bemerkbar. Auf einer großen Kiesbank kann man linksufrig sehr gut anlanden. Dort scheint auch der übliche Zielpunkt der Bootsverleiher zu sein. Zur Bahn kommt man von dort über eine kleine Fußgängerbrücke und muss dann steil zum Haltepunkt hinaufkraxeln. Dass dort häufig viel Betrieb ist, beweist auch, dass selbst an diesem einsamen kleinen Haltepunkt ein Ausschank mit Biergarten zu finden ist. Auf jeden Fall hat sich die letzte Etappe wirklich sehr gelohnt. Gut, dass wir den Tipp bekamen. Das Kemp Pikovice in Petrov war geschlossen. Deshalb fuhren wir zum Abschluss der Tour zum Moldau-Stausee Slapy und verbrachten dort unseren letzten Tourabend im Sonnenuntergang.
Sechs Paddeltage auf einem abwechslungsreichen Fluss, das kann man durchaus empfehlen, zumal die Sazava bei den Paddlern außerhalb Tschechiens nicht allzu bekannt zu sein scheint. Und wenn man Glück hat und genügend Wasser, lohnt sich bestimmt auch die leichte Wildwasserstrecke vor Ledec. Nur damit für Ardeche & Co. noch ein bisschen Luft nach oben bleibt, bekommt die Sazava von uns sehr gute